Feuer

"Feuer" a short story by Wolf-Peter Arand

Die Nacht legt sich über die kleine Stadt am Fluß. Die Händler, Schlepper und Scharlatane beginnen ihre Läden zu schließen und ihre Schicht für diesen Tag zu beenden. Die Touristen, Europäer, Schicksals- und Erleuchtungssuchenden schieben sich ein letztes Mal an diesem Tag die Hauptstraße hinauf und hinunter, plappernd, schlendernd oder ziellos irrend. Manche bleiben stehen, stöbern durch die Ramschläden. Andere schlägt es zu den kleinen Flecken von Sand am Ufer des Flußes, wo sie ihre Abendrituale zelebrieren, mit brennenden Kerzen und kleinen Schiffchen aus Blumen, die hinaus auf die Wellen gleiten und von der Strömung hinfort getragen werden. Oder sie sitzen dort auf den Stufen der verfallenen, roten Steintreppen, den Klängen der Trommler und Hippies lauschend, oder zu den Gebeten der Mönche von der anderen Flußseite tanzend.

Von den Bergen herab weht der Wind und bringt Bhang und andere Kräuter mit sich, die von Europäern und Einheimischen gleichermaßen euphorisch und nahezu manisch konsumiert werden. Immer in der Hoffnung auf die Erleuchtung, die Antworten für das Leben, das Universum und alles. Für manche ist es in den Mantel des Glaubens gehüllt, aber alle in der kleinen Stadt am Fluß atmen den Dunst der Berge und jagen die Funken des Feuers.

Churchill und Kerouac beobachten das Schauspiel, verfolgen die Bewegungen und die Kontemplation der anderen, hören auf die Musik und die sich darunter mischenden Gebete. Es ist alles jenseits des Verständnisses, jenseits von Zeit und gänzlich aus dem Raum gefallen, ein unbegreifliches Gemenge aus Farben und Geräuschen, die von der Undurchdringlichkeit des Ortes getragen werden. Ohne Rausch nicht zu ertragen für Kerouac, für Churchill. Eine Erfahrung und doch gänzlich unnachvollziehbar. Doch sie sitzen da, auf den steinernen Stufen zwischen all dem Geschehen und atmen alles, was sie umgibt, inhalieren den Dunst der Berge.

Kerouac sehnt sich nach einem Drink, zu unerträglich wird ihm die Heiligkeit und Spiritualität des Städtchens, in dem alles diesen stillen Geist zu tragen scheint, der lähmt und nur Stillstand ist. Doch der konterkariert wird durch eine lebhafte Unbeständigkeit und stete Veränderung, die sich auf den geschäftig - belebten Straßen zeigt, die sich als niemals rastender Fluß durch die Stadt zieht. Diese kleine Stadt am Fluß, die Churchill so gut erträgt, weil er sich von den Kräutern zu tragen lassen weiß, weil er das beständige Stadium des Fluxes, das ihn umgibt, zu begreifen scheint und weil die sich daraus ergießende, mystifizierte Spiritualität zu ihm spricht. Es ist eine Radiowelle, die einmal ausgesendet nur von jenen empfangen werden kann, die es verstehen, die richtige Frequenz zu finden. Und da sitzen diese beiden, die so viel und so wenig gemeinsam haben, sie sitzen und schauen staunend.

Du verstehst es nicht, oder?
Es ist nur Oberfläche.
Nein, Mann, es ist friedlich.
Psychotisch.
Friedlich. Hier, nimm ‘nen Zug.

Und dann schweigen sie wieder, schauend. Ruhiger dieses Mal und schließlich ist die Sonne verschwunden und die Nacht hüllt alles ein, nimmt all die Farben und macht alles gleich, nimmt die Spitzen und zeigt die Flammen der echten Feuer. Sie schimmern durch die noch junge, schwache Dunkelheit und spiegeln sich im dunklen Wasser des Flußes. Und all die Suchenden auf den Straßen gehen irgendwann heim, schlafen durch die Dunkelheit und nehmen am neuen Tag ihre alte Suche wieder auf.

Wo ist das Feuer?
Ich habe keins. Ich habe es verloren, irgendwo da draußen.

Churchill und Kerouac rauchen, oder wollen rauchen, können nicht, weil das Feuer fehlt, weil es verloren gegangen ist, irgendwo auf dem Weg. Und dann sitzen sie, redend über dies und das und sich nach dem Feuer umblickend. Bis Churchill es entdeckt, das leise Glimmen zu seiner Linken, das verhuschte Zucken eines Funkens, der einmal ein Feuer war und vielleicht einmal wieder sein könnte.

Siehst du es, Kerouac? Dort drüben, wie es so glimmt? Es ist das Feuer, das wir brauchen.
Ich sehe es nicht.
Bist du blind, Mensch? Dort ist es doch. Dort zwischen all dem Dreck und Müll, in der Ecke an der steinernen Treppe. Zwischen den Ästen, da glimmt es in kohlenden Funken.

Churchill und Kerouac schauen und sehen den Funken, treten näher heran und er ist verschwunden. Er entzieht sich und ist fort, irgendwohin und erst als sie einen Schritt zurücktreten, blinkt er wieder lustig in der Nacht. Er ist derart nah, zieht sie zu sich und doch ist es ihnen unmöglich, ihn zu erreichen. Der Funken, der einmal ein Feuer werden könnte, der das Potential in sich trägt, einmal mehr zu sein, der den Ausblick und die Möglichkeit auf ein Feuer gibt, dieser Funken bleibt ihnen versagt und alles, was bleibt, ist die Erkenntnis, daß er nur ein Schnipsel angeleuchtetes, rotes Bonbonpapier war.
 

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