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Es werden Posts vom April, 2014 angezeigt.

Magda

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Magda zieht ihre Jacke enger um den Körper. Der Wind ist schneidend und kalt an diesem Septembertag. Der Pullover ist eigentlich schon zu dünn und die Jacke sowieso. Sie würde neue Klamotten brauchen, wenn der Winter halten sollte, was dieser frühe Herbst versprach. Aber sie brauchte schon seit Jahren neue Klamotten. Magda zog das Jäckchen noch enger und bei dem Gedanken an das Geld, das sie dafür auftreiben müsste, fröstelte es ihr bitterlicher als bei der Aussicht auf einen strengen Winter. Magda hieß eigentlich Magdalena. „Wie die Hure“, so sagte sie sich hin und wieder, manchmal um sich Mut zu machen, manchmal um sich vor sich selbst zu rechtfertigen. Meist war es das Letztere. Einen Gott gab es nicht, dessen war sich M. sicher. Es gab nur Menschen und ihren Willen, ihr Umfeld zu kontrollieren. Kirche, Staat und alles andere waren dabei nur Instrumente, um diesen Willen durchzusetzen. M. strich sich durch die Haare, der Versuch, die Frisur in Ordnung zu bringe

Feuer

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Die Nacht legt sich über die kleine Stadt am Fluß. Die Händler, Schlepper und Scharlatane beginnen ihre Läden zu schließen und ihre Schicht für diesen Tag zu beenden. Die Touristen, Europäer, Schicksals- und Erleuchtungssuchenden schieben sich ein letztes Mal an diesem Tag die Hauptstraße hinauf und hinunter, plappernd, schlendernd oder ziellos irrend. Manche bleiben stehen, stöbern durch die Ramschläden. Andere schlägt es zu den kleinen Flecken von Sand am Ufer des Flußes, wo sie ihre Abendrituale zelebrieren, mit brennenden Kerzen und kleinen Schiffchen aus Blumen, die hinaus auf die Wellen gleiten und von der Strömung hinfort getragen werden. Oder sie sitzen dort auf den Stufen der verfallenen, roten Steintreppen, den Klängen der Trommler und Hippies lauschend, oder zu den Gebeten der Mönche von der anderen Flußseite tanzend. Von den Bergen herab weht der Wind und bringt Bhang und andere Kräuter mit sich, die von Europäern und Einheimischen gleichermaßen euphorisch und nahe

Taue

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An Tauen im Hafen Schiffe ziehen, Die sie fest halten, wie nie zuvor, Nur leise geht mir der Wind durchs Haar Und lässt am Kai die Wellen fliehen. Ich warte nur, dann spreche ich, Deinen Namen trägt das Meer, Während Möwen kreischend flattern, Über frisch gepflanzten Tulpen her.  Die Diesel brummen und beschallen dumpf Die Seiten dieser großen Stadt. Gefüllt mit Dingen andrer Welten, Kommend von weit und ziehen, ziehen Fort und immer stampfend weiter ziehen, Bis sie das andere Ufer schauen. So wie Fontanes Steuermann, Aushaltend mit knöchelweißer Hand. Den Blick immer fest aufs Ziel Doch daheim bleibende Gedanken, Oder bei der Liebe, die er auf Reisen fand, Das and're gute Leben, war bisher unbekannt. Alle Menschen treten stumm, auch plaudernd Manches Mal hinauf, hinab, Flanierend oder eilend hastend Und manche küssend auf der Bank, Die da zwischen Tulpen steht Auf dem Rasen dicht beim Hafen, An denen Katzen leise schleichen Und die Möwen kreischen si

Marlen

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Das Radio quäkt seine alltäglichen Horrormeldungen durch die Lautsprecher. Vergewaltiger, Terroristen, Kriminelle. Vorsicht vor überall aufplatzenden Eiterbeulen, die ständig darauf bedacht sind, sich selbst abzuschaffen, heißt es. Dann plärren Tocotronic: „Mach es nicht selbst“. Als ich den Song das erste Mal hörte, empfand ich ihn als Affront, als Beleidigung für alle, die aus der DIY-Kultur kamen. Dann begriff ich, dass sich eine Band wie die Tocos mit einer solchen Aussage selbst denunzieren und in eben jenem Moment sah ich die Ironie. Das sind die guten Songs, die sich nicht unmittelbar öffnen, sondern ihre Doppelbödigkeit verbergen. „Was du auch selber machst, macht schließlich dumm, ausgenommen Selbstbefriedigung.“ Ich beende mein Frühstück, trinke meinen Kaffee und ziehe meine Schuhe an. Raus, zur Arbeit, Alltag. Meine Augen sind noch müde. Sie bleiben es und nach dem Tag kommt der Abend, dann das Wochenende. Um 1800 öffnen sich die Tore des Bürofabrikgebäudes u