Der Protest der Egoisten

 Jene die an den Anti-Corona Protesten vom 1. und 29. August in Berlin teilnahmen und die dazugehörige Bewegungen on- und off-line unterstützen, sind die Crème-de-la-Crème des absoluten und ungehemmten Egoismus und der Inbegriff asozialen Verhaltens. Wer diesen Cocktail an Idiotien unterstützt, setzt ein klares Statement dafür, dass sie/er keinerlei Interesse an ihren/seinen Mitmenschen hat und einzig um ihre/seine eigenen Befindlichkeiten kreist. 

 Muss man denen zuhören und versuchen, zu verstehen, was diese Leute herausposaunen? 
 
 Nein, muss man nicht, denn dieses toxische Gemisch aus Bockigkeit, Einfältigkeit, Feigheit, Unsicherheit und Egoismus ist kleinkindhaft ungehemmt. Es speist sich aus Teilen unseres menschlichen Wesens, die jeder Einzelne von uns in sich trägt. Es sind Aspekte unserer Persönlichkeit, deren Zügelung und Kontrolle Teil des Erwachsenwerdens ist, wodurch wir in die Lage versetzt werden, uns mit der Welt und ihren mannigfaltigen Herausforderungen auseinanderzusetzen, sie zu verhandeln und schlussendlich zu überkommen. 

 Bei den Teilnehmern, Unterstützern, Helfern und Organisatoren der Anti-Corona Proteste kommt eine grundsätzliche Unfähigkeit der Bewältigung von existierenden Realitäten zum Ausdruck. Diese Individuen sind derart arrogant und selbstbezogen verstockt, dass ihnen ein Verständnis für die Akzeptanz von Umständen fehlt, die außerhalb ihres Einflussbereiches liegen. 

 So macht es beispielsweise für diese Individuen mehr Sinn, dass Donald Trump der Welt verschlüsselte Botschaften in orthographisch, grammatikalisch und inhaltlich falschen Twitterbotschaften sendet, in denen er vor der Gefahr durch einen internationalen Ring aus pädophilen, Babyblut trinkenden Kannibalen warnt, als die Tatsache, dass dieser Mann ein unterbelichteter Narzisst ist und hochfunktionaler Soziopath ist, dem seine Mitmenschen gänzlich gleich sind. 

 Es ist für die Teilnehmer dieser Demonstrationen und die Mitglieder der dazugehörigen Netzwerke nicht zu akzeptieren, dass ein Virus von einem Tier auf den Menschen übersprang und dadurch eine globale Pandemie auslöste, obwohl es hierfür unzählige historische und wissenschaftliche Belege gibt. Stattdessen akzeptieren sie dumme, rassistische und antisemitische Verschwörungstheorien, in deren Mittelpunkt fremde, ominöse und dunkle Mächte stehen - allen voran natürlich Bill Gates, Pharmakonzerne, Weltraumechsen und die Juden - die die Wirtschaft zerstören und die Menschheit gefügig machen wollen. 

 Die Marschierenden in den Demonstrationszügen und die Sympathisanten in den dazugehörigen Netzwerken on- und offline sind derart selbstverschuldet verunsichert, dass sie Rattenfängern und Scharlatanen willig und dronenhaft folgen und sich dabei als vermeintliche Querdenker stilisieren, die einem gesteuerten Mainstream Widerstand leisten. Dabei sind dann auch die Alliierten egal, mit denen man Schulter an Schulter marschiert egal. Ob AfD, NPD, III. Weg, Identitäre oder Reichsbürger, alles was nicht Mainstream ist und den eigenen Wahnsinn bestätigt, ergänzt oder zumindest mitträgt, ist willkommen. 

 Die Anhänger dieser Idiotien verstehen sich als die Einzigen, die das ganze Bild sehen. Sie sind es, die die Wahrheit kennen. Sie haben verstanden, denn sie sind besonders, auserwählt, haben die große Verschwörung enthüllt. Die idiotischsten Annahmen, zweifelhaftesten Quellen und schmierigsten Halbwahrheiten sind alle besser als die harschen, langweiligen Realitäten und spröden Herausforderungen unserer Zeit, denn sie geben jenen, die sie glauben, aufsaugen, verdauen und schließlich herausbrüllen ein Gefühl von Kontrolle, Bedeutung und Bestätigung, sie speisen diese ungezügelten, kleinkindhaften Impulse, die wir eigentlich hätten lernen sollen, zu kontrollieren. 

 Und plötzlich sind sie wieder wer. Plötzlich haben sie wieder eine Bedeutung, denn sie sind ja das Volk, sie leisten Widerstand, stilisieren sich zum Underdog, der für die Rechte aller gegen die bösen, dunklen Mächte ankämpft. Sie opfern sich für uns, die Schafe, die wir ihnen dankbar sein sollen. Diese Leute sehen sich sprachlich und ideologisch in einer Tradition der rechtschaffenen Revolutionäre, die das Joch der Herrschenden abwerfen und nach Freiheit streben. Sie positionieren sich als unter den aktuellen Realitäten unsagbar Leidende, deren Bürgerrechte mit Füßen getreten werden und deren Martyrium unvorstellbar ist in seinem Ausmaß. 

 Die Wahrheit ist, wir alle leiden unter den aktuellen Realitäten. Und ja, auch ich möchte endlich wieder ohne Hemmungen und Ängste meine Freunde und Familie treffen und in eine Bar, in den Park oder auf ein Konzert gehen. Auch ich möchte mein Leben zurück. Wir alle wollen das, doch mein Wollen deckt sich derzeit nun einmal nicht mit den existierenden Realitäten und Möglichkeiten unserer Welt. Damit sich das wieder ändert trage ich eine Maske, halte wenn möglich einen Abstand von mindestens 1,5 Metern zu anderen ein, verbringe meine Zeit an der frischen Luft und versuche einen kühlen Kopf zu bewahre, damit sich so wenig Mitmenschen wie möglich mit einem Virus infizieren, dass wir erst anfange zu verstehen.

 Wir alle teilen die Last, die uns diese Pandemie aufgeladen hat und dieser Umstand zwingt uns, unsere kleinkindlichen Impulse der Bockigkeit, der Feigheit, des Egoismus und der Unsicherheit zu kontrollieren, um nicht die Machtfantasien der Scharlatane, Rattenfänger und Populisten zu befriedigen. Nur wenn wir uns auf Tugenden wie Bedacht, Geduld, Mut, Vertrauen und Solidarität besinnen, können wir die aktuelle Krise überstehen.
 Denn unser Leid ist ein ertragbares, kaum mehr als eine vorübergehende Unannehmlichkeit.

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