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Feuer

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Die Nacht legt sich über die kleine Stadt am Fluß. Die Händler, Schlepper und Scharlatane beginnen ihre Läden zu schließen und ihre Schicht für diesen Tag zu beenden. Die Touristen, Europäer, Schicksals- und Erleuchtungssuchenden schieben sich ein letztes Mal an diesem Tag die Hauptstraße hinauf und hinunter, plappernd, schlendernd oder ziellos irrend. Manche bleiben stehen, stöbern durch die Ramschläden. Andere schlägt es zu den kleinen Flecken von Sand am Ufer des Flußes, wo sie ihre Abendrituale zelebrieren, mit brennenden Kerzen und kleinen Schiffchen aus Blumen, die hinaus auf die Wellen gleiten und von der Strömung hinfort getragen werden. Oder sie sitzen dort auf den Stufen der verfallenen, roten Steintreppen, den Klängen der Trommler und Hippies lauschend, oder zu den Gebeten der Mönche von der anderen Flußseite tanzend. Von den Bergen herab weht der Wind und bringt Bhang und andere Kräuter mit sich, die von Europäern und Einheimischen gleichermaßen euphorisch und nahe

Taue

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An Tauen im Hafen Schiffe ziehen, Die sie fest halten, wie nie zuvor, Nur leise geht mir der Wind durchs Haar Und lässt am Kai die Wellen fliehen. Ich warte nur, dann spreche ich, Deinen Namen trägt das Meer, Während Möwen kreischend flattern, Über frisch gepflanzten Tulpen her.  Die Diesel brummen und beschallen dumpf Die Seiten dieser großen Stadt. Gefüllt mit Dingen andrer Welten, Kommend von weit und ziehen, ziehen Fort und immer stampfend weiter ziehen, Bis sie das andere Ufer schauen. So wie Fontanes Steuermann, Aushaltend mit knöchelweißer Hand. Den Blick immer fest aufs Ziel Doch daheim bleibende Gedanken, Oder bei der Liebe, die er auf Reisen fand, Das and're gute Leben, war bisher unbekannt. Alle Menschen treten stumm, auch plaudernd Manches Mal hinauf, hinab, Flanierend oder eilend hastend Und manche küssend auf der Bank, Die da zwischen Tulpen steht Auf dem Rasen dicht beim Hafen, An denen Katzen leise schleichen Und die Möwen kreischen si

Marlen

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Das Radio quäkt seine alltäglichen Horrormeldungen durch die Lautsprecher. Vergewaltiger, Terroristen, Kriminelle. Vorsicht vor überall aufplatzenden Eiterbeulen, die ständig darauf bedacht sind, sich selbst abzuschaffen, heißt es. Dann plärren Tocotronic: „Mach es nicht selbst“. Als ich den Song das erste Mal hörte, empfand ich ihn als Affront, als Beleidigung für alle, die aus der DIY-Kultur kamen. Dann begriff ich, dass sich eine Band wie die Tocos mit einer solchen Aussage selbst denunzieren und in eben jenem Moment sah ich die Ironie. Das sind die guten Songs, die sich nicht unmittelbar öffnen, sondern ihre Doppelbödigkeit verbergen. „Was du auch selber machst, macht schließlich dumm, ausgenommen Selbstbefriedigung.“ Ich beende mein Frühstück, trinke meinen Kaffee und ziehe meine Schuhe an. Raus, zur Arbeit, Alltag. Meine Augen sind noch müde. Sie bleiben es und nach dem Tag kommt der Abend, dann das Wochenende. Um 1800 öffnen sich die Tore des Bürofabrikgebäudes u

Review: Blood Red Shoes - Blood Red Shoes

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Die Blood Red Shoes nisteten sich 2013 für sechs Monate in einem Kreuzberger Studio ein, haben zusammen gelebt, gearbeitet und vor allem Musik gemacht. Nun sind sie aus dieser Parallelexistenz wieder hervorgekrochen und haben ihr komplett selbstproduziertes Album im Gepäck. Bei so viel Eigeninitiative ergibt es Sinn, das neue Kind auch mit „Blood Red Shoes“ zu betiteln; keines der letzten Alben war dichter dran an dem, was das Duo ausmacht. Es beginnt alles mit einem noisigen Touch. Der Opener „Welcome Home“ klingt so sehr nach Sonic Youth, dass es fast unheimlich ist. Aber nach den guten, den alten Generation X Sonic Youth. Und es ist ein brachialer Wegweiser, wohin das britische Duo auf seiner mittlerweile fünften Veröffentlichung seit 2007 will – härter, brutaler, sexier. Die hippeligen Irrwitztempi der ersten paar Jahre sind fast zur Gänze vergessen. Aber gut, man wird ja auch älter. Und tatsächlich, der fettere, rumplige, zeitweise fast an Desertrock erinnernde