Review: Blood Red Shoes - Blood Red Shoes



"Review: Blood Red Shoes - Blood Red Shoes" a review by Wolf-Peter Arand
Die Blood Red Shoes nisteten sich 2013 für sechs Monate in einem Kreuzberger Studio ein, haben zusammen gelebt, gearbeitet und vor allem Musik gemacht. Nun sind sie aus dieser Parallelexistenz wieder hervorgekrochen und haben ihr komplett selbstproduziertes Album im Gepäck. Bei so viel Eigeninitiative ergibt es Sinn, das neue Kind auch mit „Blood Red Shoes“ zu betiteln; keines der letzten Alben war dichter dran an dem, was das Duo ausmacht.

Es beginnt alles mit einem noisigen Touch. Der Opener „Welcome Home“ klingt so sehr nach Sonic Youth, dass es fast unheimlich ist. Aber nach den guten, den alten Generation X Sonic Youth. Und es ist ein brachialer Wegweiser, wohin das britische Duo auf seiner mittlerweile fünften Veröffentlichung seit 2007 will – härter, brutaler, sexier.

Die hippeligen Irrwitztempi der ersten paar Jahre sind fast zur Gänze vergessen. Aber gut, man wird ja auch älter. Und tatsächlich, der fettere, rumplige, zeitweise fast an Desertrock erinnernde Gesamtsound macht Spaß und passt. 2012 bei dem Vorgänger „In Time to Voices“ vermisste man noch eine Richtung, doch zwei Jahre später scheint sich dieses Problem für die Roten Schuhe gelöst zu haben. Die Langeweile ist verschwunden und hat einem eifrigen, musikalischen Inspirationsverweisgewitter Platz gemacht. Neben besagten Sonic Youth, sind da vor allem viele Blues und Desertrockeinflüsse zu hören, garniert mit allerlei Spielereien aus den verschiedensten Genres. Ist das neu? Nein. Aber nie zuvor war sich die Band derart ihrer Selbst bewusst. Noch nie zuvor waren sie derart deutlich.

Wie groß diese Selbstsicherheit ist, zeigt sich beispielsweise beim Song „Far Away“, in dessen ersten Takten Drummer Steve Ansells Gesang tatsächlich an Belle & Sebastian erinnert, bevor ein Gewitter losbricht und alles hinwegfegt, was da mal vielleicht an Zerbrechlichkeit erinnerte. Ein mutiger Kopfnicker an die Kolleg(inn)en aus Schottland. Mit am eindrücklichsten aus stimmlicher Sicht ist jedoch die Entwicklung von Laura-Mary Carter, die mittlerweile einer Alison Mosshart in nichts mehr nachsteht. Am deutlichsten wird das bei „A Perfect Mess“, inklusive des Ping-Pong Sounds von „The Heart is a Beating Drum“ der Kills und X-Berger Fingerzeig. Frau Carter ist noch immer um einiges weicher und weniger brutal in ihrer Intonation und Intensität als Frau Mosshart. Dennoch ist es beeindruckend, wie sehr sich ihre stimmlichen Möglichkeiten verändert haben. Die fast zehn Jahre im Musikbusiness haben eben ihre Spuren hinterlassen, im positiven Sinne.

Zur Mitte des Albums fährt der Zweier dann mit „Stranger“ das Tempo beachtlich herunter. Der Song verliert sich ein wenig zu sehr in seiner hymnenhaften Ausgeladenheit und ist mit Sicherheit nichts für jedermann, jedenfalls nicht beim ersten Hören. Doch bereits „Speech Coma“ reißt den Hörer schon wieder aus der Gefälligkeit heraus: „There’s only one way down.“ Mit seiner brachialen Kopfnickerrhythmik zerbricht er am Ende ganz wunderbar im Noise. „Don’t get caught“ wirkt danach zwar etwas versöhnlicher, aber leider in einem beliebigen Sinne. Bei weitem kein enttäuschender Song, aber auch nicht wirklich fähig, die Brutalität von „Speech Coma“ zu halten. Ein ganz klassischer BRS Song, der sich wahrscheinlich auch in einem Club auf der Alternative Stage gut macht.

Es scheint, als sei dieser Song als eine Art Brückenkopf gedacht gewesen. Denn mit „Cigarettes in the Dark“ zeigt sich kurz vor dem Ende nochmal ein Highlight. Ein großartiges Stück aktueller Blood Red Shoes. Da ist einfach alles: stampfendes Schlagzeug, Wechselgesang, alles zerlegende Gitarrensounds, die sich mit elfenhafter Weichheit abwechseln. Das ist rund und macht Bock auf mehr. „Tightwire“ ist im Anschluss wie das luftigere Gegenstück. Es ist ein wunderschönes Schlussstück, das die Wuchtigkeit gegen eine atemholende Melancholie austauscht.

Und dann ist mit einem Mal alles vorbei und man vermisst schon Sekunden später die Stimmen, die Genick brechenden Beats und die zwischen Schwere und Leichtigkeit changierenden Gitarren. Wahrlich kein umgängliches Album, das seine ganze Schönheit tatsächlich erst nach dem zweiten oder dritten Male zu enthüllen beginnt. Ob man das mag, ist Geschmacksfrage. Für die Blood Red Shoes als Band ist es in jedem Fall das bisher schlüssigste Album und für die Hörer möglicherweise jenes mit der meisten Nachhaltigkeit.


Band: Blood Red Shoes
Album: Blood Red Shoes
Lable: Jazz Life
Veröffentlichung: März 2014


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