Review: Matula - Auf allen Festen



"Review: Matula - Auf allen Festen" a review by Wolf-Peter Arand

Mit einem einsamen melancholischen Gitarrenmollakkord beginnt das neue Matula - Album „Auf allen Festen“. Und schon die erste Strophe strotzt nur so vor düsterer Denkerpose: „Ein Auto ausgeliehen. Früh am Morgen losgefahren. Als du aufstandst noch gedacht, wärst gerne mal zu Haus.“ Und dann: „Fünf Thermobecher Kaffee, dir wird immer noch nicht schlecht.“. Der Opener „Tapete“ ist der ungewöhnlichste und aufgrund seiner primären Positionierung vielleicht der mutigste Song auf dem ganzen Album. Wie ein kleiner musikalischer Streich sticht er heraus und täuscht eine Band vor, die auf ihrem dritten Longplayer nach Kettcar, ClickClickDecker oder vielleicht Peter Licht klingt.

Doch bereits der Titelsong bricht mit den geweckten Erwartungen. Mit „Auf allen Festen“ zieht die Band ganz entspannt das Tempo an und orientiert sich wieder in Richtung der Vorgängeralben „Kuddel“ und „Blinker“ , irgendwo zwischen Captain Planet und Turbostaat. Mit cleveren, emotionalen und verschachtelten Texten, einem druckvollen Sound, klar im Spirit des Punks verwurzelt und mit einer guten Portion klassischem Songwriting ausgestattet, kämpft und singt der Vierer aus Hamburg gegen den norddeutschen Wind an. Während Captain Planet aus Verzweiflung daran zu zerbrechen scheinen und Turbostaat einfach kurzerhand alles plattwalzen, sind Matula perfekt darin, sich mit dem Wind gleiten zu lassen.

Die erste Single „Schwarzweißfotos“ zieht das Tempo weiter an und Matula sind wieder zur Gänze in ihrem Metier angekommen. Doch beweisen sie einen wunderbaren Sinn für Selbstironie, wenn sie da singen „Das hier ist Indiedisco mit Liedern, die du liebst“ und dann repetitiv „Mit den selben Liedern“. Dann kommt es Schlag auf Schlag: Mit „Monstrum“ holt man zum Rundumschlag aus und die Band lässt ihre Muskeln spielen, viel deutlicher als bisher. „Der Makler“ kommt finster und sprungbereit daher. „Am besten kommt ein Hammer und reißt die Bude ein“, sagt eigentlich alles zu dem Thema Müllmakulatur. Spätestens bei „Parade“ werden einem als Hörer ein paar Sachen klarer. Zum einen hat die Wuchtigkeit der Songs mittlerweile ordentlich zugelegt und zum anderen: Matula sind weit davon entfernt zu einem Selbstplagiat zu werden oder zu einer Kopie einer anderen Band des Genres.

Es sind die Tragödien und Frustrationen des Alltags, die von der Band thematisch seziert werden, wenn sie so treffend deutlich fragen: „Was ist das für ein Leben, das man nicht leben kann?“ Punkrockplattitüde? Vielleicht. Aber mit ganz großartig beobachteten Bildern („Der Parkplatz ist verwaist, die Säufer halten durch. Und wenn der Abend kommt, klappt der Bordstein hoch. Dann sagt die Tagesschau irgendwas von Aufschwung.“) und mit wunderbaren Melodien versehen. Das gute Leben ist die Suche bei „Auf allen Festen“. „Wie lange muss man laufen, bis man weiß wohin?“, fragen sie in „Für ein Leben“. Es geht weniger um das Ziel, das man, wenn man der Idee des Albums glauben darf, gar nicht erreichen kann, geschweige denn von dem man nicht so richtig weiß, ob es überhaupt existiert. Es ist die Suche, die von der Band thematisiert wird, ganz nach dem Motto: „Geh raus, entdecken!“

Alles treibt sich herum und strebt voran… meist von den Strophen zum Refrain und dann noch ein C-Teil. Da wird songschreiberisch nicht das Rad neu erfunden, aber mit einer solchen Leidenschaft und mit so viel Verständnis für die Details gedreht, dass es eine wahre Freude ist. Irgendwie kennt man das alles, was Matula da machen. Und dann kennt man es auch wieder nicht und staunt über Lieder, die so klingen, als wären sie schon immer da gewesen.

Nach all der Aufregung und dem wütenden Aufbegehren wird es mit „In einem Krieg“ wieder etwas ruhiger; das letzte Drittel wird eingeleitet. „Ihr habt jetzt gewonnen“, heißt es dort und „die Nacht ist jetzt vorbei.“ Geht die Suche vielleicht doch einmal vorbei, fragt man sich betreten und schon im nächsten Moment, wie um diesen Gedanken Lügen zu strafen, treten Matula die „Härtesten Türen der Stadt“ ein. Da ist sie dann wieder so deutlich, die bockige Widerständigkeit, die versichert: „Du hast dein Leben ohne falschen Stolz und wie es endet, und was jetzt falsch läuft, wissen die doch nicht.“ Die Weigerung sich von den Umständen und von den Widrigkeiten, die dem Individuum entgegenschlagen, nicht brechen zu lassen, denn „du bist ein Mensch“. Ja, es geht noch immer um die und uns, so wie früher.

Zum Abschluss noch einmal „Drei Minuten“, in denen versichert wird: „Ich bleibe immer hungrig, wenn ich alleine essen muss.“ Es ist ein finaler Gruß zum Abschluss eines wunderbar ehrlichen, in seiner nordischen Ruppigkeit fast anschmiegsamen und doch unheimlich bitteren Albums. Alles ergibt nach den knappen 36 Minuten Sinn und die Kreise schließen sich. Und spätestens wenn man die Platte dann umdreht, fügt sich „Tapete“ ins Bild ein und die Suche beginnt wieder von Neuem.


Band: Matula
Album: Auf allen Festen
Lable: Zeitstrafe
Veröffentlichung: Februar 2014

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

13.000 oder: Horscht sucht seinen Beinamen

Review "Beyond the Frontline"

Der Protest der Egoisten