Review: Matula - Auf allen Festen
Mit einem einsamen
melancholischen Gitarrenmollakkord beginnt das neue Matula - Album „Auf allen
Festen“. Und schon die erste Strophe strotzt nur so vor düsterer Denkerpose:
„Ein Auto ausgeliehen. Früh am Morgen losgefahren. Als du aufstandst noch
gedacht, wärst gerne mal zu Haus.“ Und dann: „Fünf Thermobecher Kaffee, dir
wird immer noch nicht schlecht.“. Der Opener „Tapete“ ist der ungewöhnlichste
und aufgrund seiner primären Positionierung vielleicht der mutigste Song auf
dem ganzen Album. Wie ein kleiner musikalischer Streich sticht er heraus und
täuscht eine Band vor, die auf ihrem dritten Longplayer nach Kettcar,
ClickClickDecker oder vielleicht Peter Licht klingt.
Doch bereits der Titelsong bricht
mit den geweckten Erwartungen. Mit „Auf allen Festen“ zieht die Band ganz
entspannt das Tempo an und orientiert sich wieder in Richtung der Vorgängeralben
„Kuddel“ und „Blinker“ , irgendwo zwischen Captain Planet und Turbostaat. Mit
cleveren, emotionalen und verschachtelten Texten, einem druckvollen Sound, klar
im Spirit des Punks verwurzelt und mit einer guten Portion klassischem
Songwriting ausgestattet, kämpft und singt der Vierer aus Hamburg gegen den
norddeutschen Wind an. Während Captain Planet aus Verzweiflung daran zu
zerbrechen scheinen und Turbostaat einfach kurzerhand alles plattwalzen, sind Matula
perfekt darin, sich mit dem Wind gleiten zu lassen.
Die erste Single
„Schwarzweißfotos“ zieht das Tempo weiter an und Matula sind wieder zur Gänze
in ihrem Metier angekommen. Doch beweisen sie einen wunderbaren Sinn für
Selbstironie, wenn sie da singen „Das hier ist Indiedisco mit Liedern, die du
liebst“ und dann repetitiv „Mit den selben Liedern“. Dann kommt es Schlag auf
Schlag: Mit „Monstrum“ holt man zum Rundumschlag aus und die Band lässt ihre
Muskeln spielen, viel deutlicher als bisher. „Der Makler“ kommt finster und
sprungbereit daher. „Am besten kommt ein Hammer und reißt die Bude ein“, sagt
eigentlich alles zu dem Thema Müllmakulatur. Spätestens bei „Parade“ werden
einem als Hörer ein paar Sachen klarer. Zum einen hat die Wuchtigkeit der Songs
mittlerweile ordentlich zugelegt und zum anderen: Matula sind weit davon
entfernt zu einem Selbstplagiat zu werden oder zu einer Kopie einer anderen
Band des Genres.
Es sind die Tragödien und
Frustrationen des Alltags, die von der Band thematisch seziert werden, wenn sie
so treffend deutlich fragen: „Was ist das für ein Leben, das man nicht leben
kann?“ Punkrockplattitüde? Vielleicht. Aber mit ganz großartig beobachteten
Bildern („Der Parkplatz ist verwaist, die Säufer halten durch. Und wenn der
Abend kommt, klappt der Bordstein hoch. Dann sagt die Tagesschau irgendwas von Aufschwung.“)
und mit wunderbaren Melodien versehen. Das gute Leben ist die Suche bei „Auf
allen Festen“. „Wie lange muss man laufen, bis man weiß wohin?“, fragen sie in „Für
ein Leben“. Es geht weniger um das Ziel, das man, wenn man der Idee des Albums
glauben darf, gar nicht erreichen kann, geschweige denn von dem man nicht so
richtig weiß, ob es überhaupt existiert. Es ist die Suche, die von der Band
thematisiert wird, ganz nach dem Motto: „Geh raus, entdecken!“
Alles treibt sich herum und
strebt voran… meist von den Strophen zum Refrain und dann noch ein C-Teil. Da
wird songschreiberisch nicht das Rad neu erfunden, aber mit einer solchen Leidenschaft
und mit so viel Verständnis für die Details gedreht, dass es eine wahre Freude
ist. Irgendwie kennt man das alles, was Matula da machen. Und dann kennt man es
auch wieder nicht und staunt über Lieder, die so klingen, als wären sie schon
immer da gewesen.
Nach all der Aufregung und dem
wütenden Aufbegehren wird es mit „In einem Krieg“ wieder etwas ruhiger; das
letzte Drittel wird eingeleitet. „Ihr habt jetzt gewonnen“, heißt es dort und
„die Nacht ist jetzt vorbei.“ Geht die Suche vielleicht doch einmal vorbei,
fragt man sich betreten und schon im nächsten Moment, wie um diesen Gedanken
Lügen zu strafen, treten Matula die „Härtesten Türen der Stadt“ ein. Da ist sie
dann wieder so deutlich, die bockige Widerständigkeit, die versichert: „Du hast
dein Leben ohne falschen Stolz und wie es endet, und was jetzt falsch läuft,
wissen die doch nicht.“ Die Weigerung sich von den Umständen und von den
Widrigkeiten, die dem Individuum entgegenschlagen, nicht brechen zu lassen,
denn „du bist ein Mensch“. Ja, es geht noch immer um die und uns, so wie
früher.
Zum Abschluss noch einmal „Drei
Minuten“, in denen versichert wird: „Ich bleibe immer hungrig, wenn ich alleine
essen muss.“ Es ist ein finaler Gruß zum Abschluss eines wunderbar ehrlichen,
in seiner nordischen Ruppigkeit fast anschmiegsamen und doch unheimlich
bitteren Albums. Alles ergibt nach den knappen 36 Minuten Sinn und die Kreise
schließen sich. Und spätestens wenn man die Platte dann umdreht, fügt sich
„Tapete“ ins Bild ein und die Suche beginnt wieder von Neuem.
Band: Matula
Album: Auf allen Festen
Album: Auf allen Festen
Lable: Zeitstrafe
Veröffentlichung: Februar 2014
Veröffentlichung: Februar 2014
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