Review "Beyond the Frontline"

"Beyond the Frontline" a review by Wolf-Peter Arand
Eine Arbeitshypothese: Was ist ein Kriegsfilm? Ein Film, der sich mit dem Thema des Krieges beschäftigt. Was ist ein Anti - Kriegsfilm? Ein Kriegsfilm, der, nachdem sich der Dunst der filmischen Schlacht gelegt hat, kritisch seinem Thema gegenübersteht. Ake Lindmanns Beyond the Frontline – Kampf um Karelien ist ein Kriegsfilm. Er beruft sich auf militärische Faktenlagen und die fotografischen und schriftlichen Aufzeichnungen seines Protagonisten Harry Järv (Tobias Zilliacus). Es ist als würden ein paar Zeitzeugen von ihren Erfahrungen berichten – Großvater erzählt von damals und ein grimmiges „Ja, das ist eben der Krieg.“ 
 
 Winter 1943, finnisch - sowjetische Grenze. Die kleine Einheit um Harry Järv hat mit tiefem Schnee und der Dunkelheit zu kämpfen, lange bevor es überhaupt zu Kampfhandlungen kommt. Von hier wird der Erzählstrang zurück ins Jahr 1942 gespannt. Der Winterkrieg mit der UdSSR ist noch nicht lange vorbei und der Fortsetzungskrieg befindet sich in seinen ersten Zügen. Hier an der Front ist das Infanterieregiment IR61 stationiert. Die Hauptaufgabe der kleinen Einheit unter Harry Järv richtet ihren Stützpunkt an der Front ein. Bäume fällen, Baumaterial zurecht sägen, Löcher ausheben. Dann immer wieder kleine Erkundungs - und Überfallmissionen auf Stützpunkte des Gegners. Diese Taktik zieht sich fast zwei Jahre bis 1944 hin, dann startet die Militärführung der UdSSR in Karelien eine Großoffensive. Zu diesem Zeitpunkt ist Järv bereits nicht mehr aktiv im Kriegseinsatz. Er trat auf eine Mine und befand sich seitdem im Lazarett. Statt ihm schwört Oberstleutnant Marttinen (Ilkka Heiskanen) die Männer des IR 61 darauf ein, die Stadt Tienhaara auf der Karelischen Landenge zu halten. Sollte Tienhaara fallen, fiele Helsinki. Fiele Helsinki, wäre Finnland nicht mehr zu halten. Lindman schließt das Geschehen mit einem Erzählstrang in der Gegenwart ein. Harry Järv, mittlerweile ein alter Mann und hoch dekorierter Kriegsveteran, wird zusammen mit einem Kameraden von einer jungen Frau interviewt – die alten Männer erzählen vom Krieg.

 Soweit so vorhersehbar. Das eigentlich Interessante an diesem Kriegsfilm ist nicht der Plot, sind nicht die schauspielerischen Leistungen, nicht die Ausstattung und auch nicht die Spezialeffekte. Dies alles ist handfestes Mittelmaß und entspricht dem, was der Zuschauer bei einem Budget von rund 3,5 Mio.$ erwarten kann (zum Vergleich: Oliver Hirschbiegels Der Untergang verschlang ca. 13,5 Mio.$, Wolfgang Petersens Das Boot knappe 14 Mio.$ und Steven Spielbergs Der Soldat James Ryan geschätzte 70 Mio.$). Tobias Zilliacus gibt den pragmatischen Gruppenführer Järv, der für die Männer unter seinem Kommando nur Zuneigung und Gutes zu empfinden scheint. Dieser Anführer ist ganz ähnlich einem guten, wohlwollenden Vater, der seine Leute anhält, sich zu bilden und ihre Freizeit gut zu nutzen. Ilkka Heiskanen spielt einen ebenso gütigen wie entschlossenen Vorgesetzten. Auch er meint es mit seinen Männern nur gut. Die Soldaten? Sie alle sind in ihrem Herzen Gutmenschen, die ihre Späße machen und sich scheinbar, trotz der widrigen Umstände, nicht das Wässerchen trüben lassen. Zwar schießt man auf die Feinde, doch geht ein jeder ordentlich mit Gefangenen um. Selbst das Beschimpfen der toten Gegner wird als unziemlich angesehen. Wenn einer der Kameraden des IR 61 das zeitliche segnet, heißt es ein ums andere Mal nur ganz stoisch und achselzuckend: „Das ist eben der Krieg.“. In diesem Krieg geschehen keine Grausamkeiten, keine Verbrechen an der Menschlichkeit, Nazis kommen nur am Rande vor. Ja, die Großväter erzählen …

 Das eigentlich Interessante ist die Perspektive, aus der Beyond the Frontline erzählt wird. Immer wieder wird von den Cineasten die Verbindung sowohl zur aktuellen wie auch zur historischen Gegenwart gezogen. Der Zuschauer sieht Järvs Originalfotos gegen die filmische Realität geschnitten. Immer wieder sind zeitgenössische Originalfilmausschnitte zu sehen. Sie zeigen feuernde Geschütze, Flugzeugstaffeln usw. Allesamt heroische Szenen. Zusätzlich sind da die hochdekorierten Veteranen, die der übernächsten Generation von ihren Erlebnissen berichten. Immer wieder wird betont, dass sich das Gezeigte auf Zeitzeugen und militärische (!) Historie beruft. Was anfangs als naive Auseinandersetzung mit einem komplexen Sachverhalt daher kommt, enthüllt bei näherer Betrachtung eine gewisse Sprengkraft. Die Filmemacher führen der (binnenländischen) Debatte um die Rolle Finnlands im II. Weltkrieg den Spiegel vor. Der rote Faden in Beyond the frontline folgt den Betrachtungen von Teilhabern und Mittätern eines Krieges, zeichnet die Protagonisten als „gute“ Soldaten und die Kriegsgeschehnisse als weit weg und gar nicht so schlimm. Wie die Erzählung des Großvaters, der seinen Enkeln achselzuckend erklärt: „Das ist eben Krieg.“ Und anschließend davon berichtet, wie er mit seinen Kameraden Unterstände zimmerte und durch den Schnee schlich.


  Beyond the frontline ist ein Anti - Kriegsfilm. Kein lauter, keiner, der seine Meinung herausposaunt. Eher einer, der den Zuschauer fordert, die Dialektik hinter dem Gezeigten zu erkennen. Wie packend es dem Team um Lindman dies gelungen ist, bleibt streitbar. Ein vertrackter Vertreter des Genres; auf seiner filmischen Oberfläche durchschnittlich, doch wenn sich der Dunst der filmischen Schlacht gelegt hat, mit einer markanten Schärfe.

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