Review "X-Men: First Class"
Mit Mutanten, Münzen und Magneten
Da
ist er also, der neue X - Men. Diesmal geht es um die First Class, den ersten
Jahrgang. Nach dem doch sehr auf das Körperliche konzentrierten X - Men Origins: Wolverin und dem
Rambazamba -Mutantengroßaufgebot von X - Men:
The Last Stand soll es also diesmal um die beiden intellektuellen
Häuptlinge in der Mutantenriege gehen: Professor Charles X. Xavier (James
McAvoy) und Erik Lehnsherr (Michael Fassbender); die beiden Feinde, die doch in
einer tiefen Freundschaft verbunden sind, die das Gleiche wollen, doch deren
Ziele und Praktiken sich grundlegend unterscheiden.
Der
Film beginnt mit einer Szene, die bereits aus dem ersten X - Men bekannt ist,
in welcher der junge Erik Lehnsherr in einem deutschen KZ in Polen von seinen
Eltern getrennt wird und aus Angst und Verzweiflung den metallenen Zaun
verbiegt. Immer wieder stellt First Class seine Verbindungen zu dem Kanon der
Comic - und Filmvorgänger aber auch zu anderen Vertretern der Filmhistorie her.
Mal durch die Montage, mal durch den Bildaufbau sowie -ausschnitt oder, für die
Zitatspezialisten, in Form der immer wieder eingestreuten Anspielungen und
Verneigungen. Doch all dies wirkt nie aufdringlich oder plump, sondern ist mit
einer Leichtigkeit umgesetzt, die in einem der famosesten Cameos des noch nicht
alten Kinojahres ihren Zenit findet – es hat mit einer Bar, einem Whiskey,
Xavier und Lehnsherr zu tun … Nein, ich verderbe an dieser Stelle nicht den
Spaß.
Natürlich
ist es erneut kein Arthouse - Kino, was dort gezeigt wird. Doch wer erwartet
das von einem Film, auf dem X - Men steht? Viel mehr gibt es Special - Effects,
trockenen Humor, einen Deutsch sprechenden Kevin Bacon als Bösewicht Sebastian
Shaw, Nazi-Schergen in Argentinien und eine USA, die auf dem Höhepunkt des
Kalten Krieges vor Kuba ihre Kriegsschiffe der Sowjetischen Marine
entgegenstellt, um dann gemeinsam mit ihnen an einem dritten Weltkrieg vorbeizuschrammen.
Doch
all dies ist nicht die treibende Kraft von X
- Men: First Class. Sie liegt in der Entwicklung, dem Heranreifen der
Figuren. „You can be part of something much bigger than you are“, sagt Xavier
zu Lehnsherr als sich dieser abwenden will, um weiter seinen privaten
Rachefeldzug gegen Sebastian Shaw, seines Zeichens Weltkriegstreiber,
Geschäftsmann, Nazidoktor und energiebeeinflussender Mutant, und die Geister
von einst zu führen. Die Suche nach einem Platz in der Welt, wenn man nicht so
wie die anderen ist, treibt diese Charaktere an. Ob es nun der junge Hank McCoy
(Nicholas Hoult aus u.a. About a Boy, A
Single Man) ist, der auf seiner Suche nach einem Heilmittel für Mutationen
sich selbst erst zu dem großen, hochintelligenten, blauen Fellknäuel macht,
dass der Zuschauer als Beast aus X - Men:
The Last Stand kennt. Oder ob das Raven (Jennifer Lawrence aus u.a. Winter’s Bone) ist, die erst lernen
muss, ihr natürliches Erscheinungsbild Mystique wertzuschätzen. Und auch Xavier
und Lehnsherr müssen noch begreifen, wie eng ihre Verbindung ist. Denn obwohl
sie von ihrem sozialen Background so grundverschieden sind – Xavier, der aus
der Upper class stammende, auf Eliteunis ausgebildete, etwas unbedarfte
Wissenschaftler und Lehnsherr, der im KZ von Nazis als Versuchskaninchen benutzte,
traurige Racheengel – formen und prägen sie sich gegenseitig nachhaltig und
hinterlassen in dem anderen ihre Spuren.
Es
war ein schweres Erbe, das dort auf den Schultern von Avoy und Fassbender
abgeladen wurde. Immerhin hatten ihre Figuren drei Filme lang die Bestimmtheit
eines Sternenflotten-Kapitäns und die Entschlossenheit eines Weißen Zauberers
geatmet. Und jetzt dieser Retrospektiv - Versuch, bei dem alles gleich gut
bleiben, nur jünger sein sollte, bei dem weder auf die altbekannten Darsteller
zurückgegriffen werden konnte, noch sollte. Und es erweist sich als Segen. Avoy
und Fassbender erfüllen ihre Aufgabe vorbildlich. Ihr Zusammenspiel hält jedem
Vergleich stand, mehr sogar. Sie verleihen Xaviers und Lehnsherrs Beziehung
eine zuvor nicht gezeigte Tiefe ohne die alten Fäden zu verlieren.
Doch
wirklich überrascht kann eigentlich niemand sein, wenn man im Vornherein einen
Blick auf den Cast des Projekts warf. Denn auch wenn da jene Fast - Debütanten
und jene mit schwankenden Filmographien dabei waren, so schält sich doch bei
einem nähren Blick heraus, dass da Leute am Werk sind, die können, wenn sie
denn wollten. Ob das nun Matthew Vaughn ist, der bereits durch die Mitarbeit am
Drehbuch für X - Men: The Last Stand
in Berührung mit dem Stoff kam, dann mit Stardust
und Kick - Ass ein Gespür für Action,
Atmosphäre und Storytelling bewies. Oder ob es James McAvoy ist, der bei Atonement und Ein russischer Sommer hervorragende schauspielerische Leistungen
bezeugte, aber bei seinem Abstecher ins Actionkino mit Wanted kein glückliches Händchen bewies. Schließlich Michael
Fassbender, der Engländer aus Tarantinos Inglourious
Basterds, der sich ein so famoses Katz - und - Maus - Spiel mit August
Diehl lieferte, dort eine wunderbare Gewandtheit zeigte, um dann mit Centurion ein Jahr später einen halben
Totalausfall zu vollführen.
Doch
der Plan geht auf. Alle neuen Gesichter können in den bekannten Rollen
überzeugen. Bis auf January Jones als Emma Frost, die nicht viel mehr macht als
nett auszusehen. Da ist sogar der Wirbelsturmtyp, der tatsächlich kein Wort von
sich gibt, spannender. Viel interessanter ist die Leistung von Jennifer
Lawrence. Die kann sich neben ihrer durch Rebecca Ronjin verkörperten älteren
Version von Raven / Mystique sehen lassen. Anstatt Ronjin zu imitieren – dafür
waren sowohl Vaughn bezüglich der Inszenierung, als auch Lawrence in ihrer
Darstellung, zu clever – wird eine suchende, unerfahrenere, gerade noch
lernende Mystique gezeigt. Und so ist es zu verzeihen und angebracht, dass ihr
„Mutan and proud!“ noch nicht so flüssig, tödlich und gekonnt verführerisch
rüberkommt.
Dennoch
braucht es ein wenig Zeit, sich an diese unsichere Versionen der Mutantenhelden
aus den ersten drei Teilen zu gewöhnen. Doch Vaughn und sein Team gehen in
diesem Punkt recht behutsam vor. Sie lassen sich sowohl die Zeit als auch den
Raum; einzig: Es ist genau dieser, der ihnen am Ende ein wenig fehlt. Die
letzte Rolle Film ist dann doch zu schnell durchgelaufen und der Schluss, das
Auseinanderbrechen Lehnsherrs und Xaviers zu abrupt. Und über diesen kleinen
Schönheitsfehler können auch die, zugegebenermaßen wunderbar selbstironischen,
letzten fünf Minuten nicht hinwegtäuschen.
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